Wenn ein Jugendlicher zu Jugendlichen spricht – Interview mit Adam Paradis(io), Stimme der Prävention

Was hat dich dazu bewegt, TikTok als Mittel der Prävention zu nutzen, statt es nur als Unterhaltungsplattform zu sehen?

Schon ganz zu Beginn meiner Aktivitäten in den sozialen Medien habe ich mich für Themen interessiert, die zum Nachdenken anregen können – und das in Verbindung mit Unterhaltung. TikTok hat sich sehr schnell als ein Mittel etabliert, um Millionen von Menschen zu erreichen. Es ermöglicht uns, Botschaften schnell zu vermitteln und Inhalte zu produzieren, ohne aussergewöhnlich grosse Budgets zu benötigen. Ich wollte schon immer Inhalte schaffen, die Sinn haben, und Prävention bzw. Sensibilisierung haben sich dabei als perfekt passend erwiesen. Was gibt es Besseres, als ein Video zu produzieren, das unterhält, zum Nachdenken anregt und, so hoffe ich, Herzen berührt?

Wie wählst du die Themen aus, die du behandelst (Mobbing, Drogen, Alkohol, psychische Gesundheit …) und welche Botschaft möchtest du vor allem an junge Menschen vermitteln?

Ich lese sehr viel über die verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Jugend, zu der ich selbst gehöre, ist mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert: Ob wir in Europa, Asien oder Amerika leben – die menschlichen Herausforderungen sind oft dieselben. Die zentrale Botschaft, die ich in meinen Videos vermitteln möchte, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Hoffnung. Das mag klischeehaft klingen, aber sie ist die Grundlage für die Lösung jedes Problems, mit dem wir konfrontiert sein können. Die Botschaft, die Jugendliche mitnehmen sollen, lautet: Es gibt immer eine Lösung, egal wie gross das Problem ist. Es ist niemals zu spät.

Viele deiner Videos sind fiktional. Warum entscheidest du dich für diese Art der Erzählung statt für eine direkte Ansprache? Glaubst du, dass dies die jungen Menschen besser erreicht?

Fiktionen ermöglichen es, das Publikum in eine eigene Welt eintauchen zu lassen – ein paar Sekunden genügen auf TikTok. Durch die Fiktion lässt man sich von einer Welle tragen, die zu einer Pointe führt, die berührt und zum Nachdenken anregt. Dieser Prozess spricht unsere Emotionen stärker an als unseren rationalen Verstand und kann dadurch viel eindringlicher sein. Darüber hinaus vertraut die Fiktion auf die Intelligenz des Publikums und will keine Belehrung sein. Mit der Fiktion möchte ich meinem Publikum einfach ein Gefühl vermitteln – und genau dieses Gefühl sorgt dafür, dass die Botschaft, die ich vermitteln will, im Gedächtnis bleibt.

Wenn du ein Video zu einem sensiblen Thema machst (Mobbing, Suizid, Drogen …), erhältst du Rückmeldungen von jungen Menschen in Not? Wie gehst du mit der Verantwortung um, die mit deiner Rolle als „Präventionsmacher“ einhergeht?

Ich habe nicht den Anspruch, ein „Präventionsfachmann“ mit allen damit verbundenen professionellen Qualifikationen zu sein: Ich bin einfach ein Creator, der Menschen berühren möchte. Ich erhalte oft Nachrichten von Abonnentinnen und Abonnenten, die mir danken, weil sie sich in ihrer Realität verstanden fühlen. Das ist sehr bewegend. Nach der Veröffentlichung meines Videos über Drogen hat mich ein Aufnahmezentrum für Jugendliche in Entzug kontaktiert, um mir mitzuteilen, dass ein junges Mädchen nach dem Ansehen meines Videos um Aufnahme gebeten hatte – ich kann euch sagen, das ist unbezahlbar. Zu wissen, dass man im Leben eines Menschen einen positiven Unterschied machen konnte, ist äusserst berührend. Ja, es ist mir auch schon passiert, dass mir Jugendliche geschrieben haben, dass sie schwierige Zeiten durchleben. Wenn ich solche Nachrichten erhalte, antworte ich ihnen, mache ihnen Mut und ermutige sie, mit einer Vertrauensperson darüber zu sprechen. 

Was ist deiner Meinung nach die Rolle der Schulen und Lehrkräfte in der Prävention im Vergleich zu der von Influencern wie dir? Können bzw. sollten sie zusammenarbeiten?

Ganz klar: Sie müssen zusammenarbeiten! Meine Mutter ist Lehrerin, und ich weiss sehr gut, wie sehr sie das Leben ihrer Schülerinnen und Schüler beeinflusst. Stellt euch vor, welche Wirkung eine Botschaft haben kann, wenn sie von einer Lehrkraft mit ihrem pädagogischen Fachwissen vermittelt wird, unterstützt durch wirkungsvolle Inhalte, die Jugendliche erreichen. Man sagt oft, ein Bild sagt mehr als tausend Worte – stellt euch erst ein Video vor.

 Welchen Rat würdest du einem Jugendlichen geben, der Mobbing, sozialen Druck oder schwierige Zeiten erlebt? Sei es in der Klasse, in den sozialen Netzwerken oder im persönlichen Leben?

Behalte es nicht für dich! Du bist nicht allein. Es gibt immer jemanden, der bereit ist, dir zu helfen. Zögere nicht, mit einer Person zu sprechen, die du liebst oder respektierst. Und wenn du das Gefühl hast, dass es eine solche Person nicht gibt, wende dich an jemanden aus deiner Gemeinschaft: eine Lehrkraft, eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter, eine pädagogische Fachkraft, eine Betreuungsperson oder die Polizei. Es gibt immer eine Lösung. Und wenn es dir gerade nicht gut geht, denke an deine Träume und Leidenschaften – das tut in solchen Momenten immer gut.