Ein Tag wie jeder andere

Für den Grossteil der Bevölkerung, besteht die Arbeit eines Polizisten aus Verkehr regeln, Bussen austeilen, Betrunkene anhalten, Verkehrsunfälle aufnehmen oder darin, im Bereich der Gerichtspolizei durch minutiöse Ermittlungen Fälle aufzuklären. Es gibt aber auch weniger bekanntere Aspekte in unserem Alltag. Eine der delikateren Aufgaben darunter ist die Rückschaffung von Ausländern, denen die Aufenthaltsbewilligung vom Staat nicht erteilt wurde. Hier der Verlauf eines solchen speziellen Tages.

5 Uhr morgens.

Wenn der Grossteil der Menschen noch schläft und es draussen noch ruhig ist, besteigen 11 Personen zwei unauffällige Busse.

05:20

Die kleine Gruppe wird von vier Einheiten verstärkt. Eine kurze und präzise Erklärung folgt. Diese lässt einer Überraschung oder Improvisation keinen Platz. Alles ist einstudiert, analysiert und berech-net. Die Aufgaben und Kompetenzen sind auf jeden verteilt.

05:30

Es herrscht Stille. Ein Schlüssel öffnet diskret die Tür der be-troffenen Wohnung. 15 Personen betreten leise die Wohnung, durchsuchen und bemerken jedes Detail, welches eine poten-tielle Gefahr sein könnte. Fünf Personen schlafen noch tief. Diese wissen noch nicht, was für ein langer Tag sie erwartet.

05:35

Die Lichter gehen plötzlich an. « POLIZEI. Guten Tag. Sie müs-sen ihre Koffer packen, ein Entscheid wurde getroffen. Sie kön-nen nicht mehr in der Schweiz bleiben. Sie werden in einem Flugzeug Platz nehmen, welches Sie in ihr Land zurückbringen wird. Sie haben das Recht auf 23 Kilogramm Gepäck pro Per-son. Wenn Sie keine Koffer besitzen, können wir Ihnen Kartons zur Verfügung stellen. »

Die Augen noch verschlossen, Unverständnis herrscht. Schreie und Tränen verbreiten sich in der Wohnung, als sie die Nach-richt der Rückschaffung erhalten. Wie Roboter beginnen sie, ihre Gegenstände zusammenzupacken. «Nötig oder nicht? » «Kann ich dies mitnehmen?» Die Kinder suchen ihre Schulta-schen, um diese mitzunehmen. Wie kann man zwei Lebens-jahre in 23 Kilogramm Gepäck mitnehmen?

07:00

Die Türe schliesst sich hinter den Erinnerungen. 12 Personen begleiten die Familie bis zum Flughafen. Die restlichen Men-schen üben derweil ihre tägliche Arbeit wie gewohnt aus.

09:30

Polizisten und Zurückgewiesene essen gemeinsam ein „Gip-feli“ auf der Terrasse einer Autobahnraststätte, bevor die Fahrt in Richtung Flughafen weitergeht. Während der Fahrt reden sie zusammen. Die Kinder erzählen von ihren Projekten und der Zukunft, von welcher sie träumen.

11:30

Ankunft am Flughafen. Die Familie durchquert die Detektoren. Das Gepäck wird sorgfältig kontrolliert. Dann beginnt das un-endliche Warten. Eine Tortur für diese Leute, die das Einstei-gen ins Flugzeug befürchten.

15:00

Arztbesuch. Der Entscheid fällt rasch. Wegen einer Erkran-kung des Vaters wurde ein formelles Flugverbot ohne Beglei-tung der Polizei und Sanität erteilt. Bewährung! Die Augen der Familienmitglieder glänzen vor Freude. Ein Glück, diese Le-bensfreude – welche sie seit fast drei Jahren haben zuführen. Freude darüber, Freunde und Bekannte zu treffen, wobei sie noch vor wenigen Augenblicken dachten, dass sie diese nicht mehr wiedersehen werden.

19:00

Pipi-Pause auf dem Rückweg. Das älteste Kind fragt noch, ob man es auf dem Weg hinterlassen kann, damit man rechtzeitig zur Schlussfeier der Schule sei. Negativ.

20:30

Die Familie kommt wieder am Ausgangspunkt an. Das Gepäck wird ausgeladen und in der Wohnung abgelegt. Die älteste Tochter und die Mutter verabschieden und bedanken sich bei jedem einzelnen der 12 Polizisten …

Sie wissen noch nicht, dass es ab jetzt nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sie mit einem Spezialflug in ihr Land zurück-geschafft werden. Ausser der Gesundheitszustand des Vaters würde sich verschlechtern.

Während des ganzen Tages sprachen die Familienmitglieder über ihren Alltag. Manchmal in der Sorge darüber, jene Per-sonen bei welchen sie eine Anstellung hatten (Lehrer oder Ar-beitsgeber) zu benachrichtigen und manchmal einfach nur mit dem Ziel, miteinander zu sprechen. Die Mutter putzte Wohnun-gen, um damit ein Einkommen für die Familie zu erzielen. Die ältere Tochter verfasste kürzlich ein Motivationsschreiben auf Französisch an eine Berufswahlvorbereitungs-Schule. Dieses Gesuch wurde angenommen. Der Sohn ist ein Talent im Ka-rate-Sport und trainiert mit den Besten unseres Kantons. Die Jüngste schreibt nur noch auf Französisch.

Einige Verpflichtungen sind «einfacher» als andere. Oftmals handelt es sich um Einzelpersonen oder Paare. Es kommt ebenfalls vor, Familien, welche in einem Empfangsfoyer leben, abzuholen. Oft sprechen diese nicht Französisch und zeigen wenig Emotionen. Solche, für die «Zurückgewiesenen» emo-tionelle Tage, erleben wir direkt mit. Trotz unseres Auftrags, dürfen wir das Menschliche nicht vergessen.

Es wird nie eine Gebrauchsanweisung für solche Situationen geben. Eines ist jedoch klar, diese Momente markieren uns unauslöschbar.

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