Gast der Redaktion

Direktor ad interim SPI
Direktor SPI per 1. Januar 2022

Schwellen sind da, um überquert zu werden

Niemand weiss, wie sich der Polizeiberuf bis 2040 verändern wird. Tendenzen, Spekulationen und Trends gibt es viele. Klar ist: wir stehen nicht an der Schwelle zu einer erheblichen Veränderung an die künftigen Herausforderungen an Polizeikader, wir haben sie bereits überschritten. Wir stehen bereits mitten im Umbruch. Die Entwicklung der Technik ist rasant wie wohl in keiner Epoche zuvor. Darauf vorbereitet zu sein und damit Schritt zu halten, ist eine der grössten Herausforderungen. Für die Polizeikorps – und somit auch für das Schweizerische Polizei-Institut (SPI).

Ich sehe die Korps doppelt unter Druck: in Folge von Pensionierungen geht viel Wissen und Können in den kommenden Jahren verloren. Gleichzeitig muss die Polizei neben den traditionellen Fähigkeiten zahlreiche Expertinnen und Experten für neue Technologien rekrutieren, fördern und weiterbilden. Diese sind jedoch auch in der Privatwirtschaft und Verwaltung allgemein gefragt, was der Polizei die Rekrutierung zusätzlich erschwert.

Jede Generation hat ihre Erinnerung an das Wort «Danke» beim Bewerbungsprozess. Die lebenserfahrenen Kolleginnen und Kollegen kennen es im Rückblick als «Danke, dass Sie meine Bewerbung berücksichtigen.» Die heutige Generation sagt: «Danke, ich werde es mir überlegen. Ich prüfe noch andere Angebote und komme vielleicht auf Ihr Korps zurück.»

Die heutige Generation sieht Arbeit anders. Sie will nicht ein Leben lang beim gleichen Arbeitgeber bleiben und wünscht sich mehr Freiheiten. Um eine attraktive Arbeitgeberin zu bleiben, müssen wir neue Arbeitsweisen anbieten und sicherstellen, dass die Mitarbeitenden ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt bewahren. Die Polizeiarbeit der Zukunft beinhaltet zudem bereits heute mehr wissenschaftliche Tätigkeiten und den Einsatz von kognitiver Intelligenz.

Es geht also darum, die Zukunftskompetenzen unseres Berufsbildes laufend zu hinterfragen, anzupassen und diese in konkrete Bildungsangebote zu giessen. Auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung entscheiden Geschwindigkeit und Entschlossenheit. Hier haben wir Handlungsbedarf. Antizipieren und die Handlungsfreiheit bewahren gelingt nur, wenn wir die Aus- und Weiterbildung mit klugem und raschem Vorgehen anpassen.

Die Aspirant-/innen von heute sind die Kader von morgen. Mit diesem Leitsatz starten wir 2022 das schweizweite Projekt für eine nationale Kader- und Weiterbildungsstrategie, das die KKJPD im November 2021 einstimmig bewilligt hat. Im Kern geht es darum, die bestehenden und künftigen Kader für die künftigen Herausforderungen fit zu machen. Wie wird sich “Police Leadership” verändern? Welche Anforderungen an Führungskräfte stellen sich? Welche Fachgebiete müssen verstärkt berücksichtigt werden?

Ich bin sehr überzeugt, dass beispielsweise betriebswirtschaftliches Grundwissen und die Grundkenntnisse zur Managementlehre heute zu wichtigen Kompetenzen von Chefs gehören. Es geht darum, modulare und individuelle Spezialisten- und Kaderausbildungen zu modellieren und anzubieten. Kooperationen mit Partnern, Hoch- und Fachhochschulen müssen Normalität werden, nicht Ausnahme. Wir müssen Abschlüssen einen zusätzlichen Wert verleihen, indem diese polizeilich und zivil besser anerkannt werden.

Das ist künftig die verstärkte Rolle des SPI: das Kompetenzzentrum für die Aus- und Weiterbildung der Schweizer Polizeien, welches die Umsetzung einer nationalen Ausbildungsdoktrin gewährleistet. Es agiert als Plattform und Denkfabrik, das politische, polizeiliche und akademische Akteure zusammenbringt, um eine qualitativ hochstehende Polizeiausbildung sicherzustellen.

Es geht um nichts anderes, als die Attraktivität des Polizeiberufes und der Laufbahnen nachhaltig zu sichern und zu verbessern. Polizeiarbeit ist Arbeit von Menschen für Menschen – mit allen Facetten, die diese Tätigkeiten so einzigartig machen. Fundierte Forschungsergebnisse, innovative Bildungskonzepte und zukunftsorientierte Laufbahnmodelle.

Nochmals zurück zur Schwelle – ja, wir haben Sie überschritten und betreten einen offenen Raum. Aber wir haben es nun in der Hand, ihn zu möblieren. Packen wir’s an.

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