Was macht eigentlich… Henri Thurre

Der Besuch von Saillon mit all seinen Sehenswürdigkeiten ist ein Abstecher wert. Der bekannte Turm, der Marmor-Steinbruch, die mittelalterlichen Gärten, der Glasmalerei-Pfad oder der «Farinet-Steg»; um hier nur einige zu nennen. Seit einiger Zeit ermöglicht eine App interaktive Spaziergänge durch Saillon. Markierungen aus Bronze zieren dabei den Weg. An jedem Punkt können Besucher auf ihrem Mobiltelefon einen Kurzfilm mit wertvollen Informationen zu Saillon anschauen. Ein Kenner - ein echter «Saillonin» - äussert sich in diesen Videos mit viel Begeisterung. Die Rede ist dabei vom früheren Kreischef der Gendarmerie im Unterwallis.

Henri Thurre, wie definieren Sie Ruhestand?

Inzwischen sind es 20 Jahre. Zusammenfassend eine arbeitsintensive Zeit für mich und meine Familie mit Höhen und auch einigen Tiefen. Das ist aber das Los des Älterwerdens. Dies zu akzeptieren und diesen Lebensabschnitt positiv anzugehen ist eine besondere Aufgabe. Das Schöne daran ist, wenn dabei noch Zeit für die Mitmenschen übrigbleibt. 

Nach meiner Laufbahn als Polizist, mit all den damit verbundenen Herausforderungen, war die Pensionierung ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich fand nun die Möglichkeit, mich meinen Interessen zu widmen, welche während der beruflichen Tätigkeit teils auf Eis gelegt werden mussten. Ich denke dabei an meine Faszination für die Geschichte und die Kunst, mein Interesse am Schreiben und Lesen sowie ans Radfahren und Wandern.

Ich interessiere mich sehr für Geschichte, bin jedoch kein Spezialist. Die Ansicht, dass früher alles besser war, teile ich hingegen nicht. Meinen Ruhestand nehme ich nicht als Phase des «Aufhörens» wahr, vielmehr als Prozess des «progressiven Bremsens», und das mit dem Beginn meines 80. Lebensjahres. Der Teil-Lockdown hat mir den Charme der Entschleunigung nähergebracht. Mit jedem Tag der anbricht, öffnet sich die Perspektive auf neue Dinge.

Welche Sehenswürdigkeiten bietet Saillon?

Der Besuch des Dorfes steckt voller Erinnerungen, welche die Jahrhunderte überdauert haben. Zu entdecken sind die Thermalquelle und die Grotte. Der bekannte Künstler Gustave Courbet hat dieses Sujet für eines seiner Bilder ausgewählt. Der Ort lädt regelrecht zur Meditation ein. In Saillon gibt es für Alt und Jung Sehenswürdigkeiten zu entdecken.

Ärgert es Sie als Polizist, dass der Geldfälscher Farinet in Ihrem Dorf quasi den Rang eines Helden, bzw. einer Legende hat?

Ich sehe keinen Grund dafür, mich darüber zu ärgern. Die Farinet-Affäre ist eine historische Tatsache, von der auch die Politik nicht ausgenommen war. Es muss jedoch in den richtigen Kontext gesetzt werden.

Die Gründer der «Association des Amis de Farinet» haben immer deutlich gemacht, dass es nicht darum ging, unehrliche Taten eines Geächteten hervorzuheben. Der Geist des 1932 erschienenen Buches von C.F. Ramuz, «Farinet ou la fausse monnaie» und der 1938 in Saillon gedrehte Film von Max Haufler, «Farinet ou l’or dans la montagne», bildeten den roten Faden für die Entwicklungen rund um diese Figur.

Mehrere Ortschaften unserer Region sowie im naheliegenden Italien und Frankreich hätten den Titel „Hauptstadt von Farinet» beanspruchen können. Im Wallis denke ich vor allem an das Val de Bagnes, Martigny-Combe, Fully und an die Weiler Loton, Saxon und noch andere. Hier waren die Aktivitäten von Farinet teils intensiver und stürmischer als in Saillon.

Mit seinem Tod in Leytron und seiner Beerdigung auf unserem Friedhof sehe ich keinen Grund beleidigt zu sein, dass der „Geist dieses Fälschers» hier geboren wurde. Die Geschichte um Farinet zieht zudem viele Besucher an.

1880 war die Kantonspolizei Farinet dicht auf den Fersen. Er flüchtete in die Salentze-Schlucht. Die Gendarmen überwachten daraufhin das Gelände.  Später gab der Fluss Farinets Leiche frei. Unter uns: Starb der Fälscher durch eine Kugel eines Gendarmen oder war es ein Unfall?

Ich bin der Meinung, dass es nicht wichtig ist, welche Version nun gilt.  In meinen Augen sind es die Handlungen des Menschen mit seinen doppelten Facetten, die den Mythos erschafft haben. Die Gerüchte über die Umstände seines Todes und der politische Diskurs im Kanton haben diesen Mythos weiter verstärkt.

Rund um Farinet empfehle ich allen Interessierten einige gut recherchierte Bücher, welche unten auflistet sind.

Ich würde mich freuen, wenn einige bei Gelegenheit den Weg nach Saillon finden würden, um das historische Dorf, welches eng mit Farinet verbunden ist, zu entdecken.

Besten Dank. Wir wünschen Ihnen alles Gute.

Literatur:

  • Walter LOERTSCHER, Die Kantonspolizei Wallis
  • Pascal REY, Farinet et le gendarme Cyrille Rey. « L’encoche » Revue der Gemeinde Montana, no. 13, p. 1 à 6, décembre 2009.
  • Danielle ALLET-ZWISSIG, L’affaire Farinet dans la presse valaisanne contemporaine, (1870-1881), 1980. I-N177-1980-001.pdf (rero.ch)
  • André DONNET, La véritable histoire de Joseph-Samuel FARINET, faux-monnayeur, Editions Payot 1980
  • André DONNET, Farinet devant la justice valaisanne (1869-1880), Bibliotheca Vallesiana, 1980, 2 Tomes.

 

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