
Wir schreiben das Jahr 1980, als Charly Monnet das Gefängnis von Champ Dollon verliess, wo er zwar nicht inhaftiert war, aber als „Maton“ (Gefängniswärter) diente. In jenem Jahr trat er in die Reihen der Kantonspolizei Wallis und absolvierte die Aspirantenschule.
Seine ersten Schritte als Gendarm auf dem Polizeiposten von Nendaz:
Der Kontakt mit der Bevölkerung war schon damals ausgezeichnet. Die Beamten der Kantonspolizei kontrollierten die Qualität der Milch in den Ställen, entnahmen das Wasser in den Schwimmbädern, überprüften die Baustellen, stellten Schilder für Fahrräder, Jagdscheine usw…. aus.
Charly verbrachte fünf Jahre in diesem «Bergposten». Er erinnert sich übrigens an ein dramatisches Ereignis, das ihn besonders geprägt hat:
Sein damaliger Vorgesetzter und der seinerzeit als Ausbrecherkönig bekannte Jakob Schmidt* mit seinem Komplizen waren bei einem Einbruch in die Räumlichkeiten des Polizeipostens von Nendaz aneinandergeraten. Der Einbrecher eröffnete ohne zu zögern das Feuer und verletzte den Postenchef am Ellbogen.
Der Dieb aus der Deutschschweiz hat der Polizei auch weiterhin noch so einiges abverlangt. Bei einer nächtlichen Patrouille in der Region Siviez machte Charly, der von einem Gendarmenlehrling begleitet wurde, eine seltsame Entdeckung. Die Patrouille wurde auf ein weisses Fahrzeug der Marke Audi mit Solothurner Nummernschildern aufmerksam, das auf dem Parkplatz eines Gebäudes geparkt war. Nach den üblichen Abklärungen stellte sich heraus, dass das Fahrzeug nicht als gestohlen gemeldet war. Den beiden Gendarmen war die Sache aber nicht geheuer und so überprüften sie die umliegenden Geschäfte. Aber auch dort konnten sie nichts Ungewöhnliches feststellen.
Erst am nächsten Morgen wurde der Polizei mitgeteilt, dass in ein Immobilienbüro eingebrochen worden war. Der Tresor war mit einem Schneidbrenner aufgeschnitten worden. Einige Tage später sagte der Komplize von Jakob Schmidt bei seiner Festnahme aus, dass sie die Beamten bei ihrer Ankunft gehört hätten. In der Folge hätten sie sich unter einer Plane versteckt. Es stellte sich heraus, dass die Einbrecher sogar soweit gingen, dass sie den Zylinder der Eingangstür des Geschäfts ausgetauscht hatten, bevor sie sich dort für die Tatbegehung eingeschlossen haben. Er sagte auch, dass sie bewaffnet waren und Schmidt die Nummernschilder für den besagten Audi selbst hergestellt hatte…
Die Anfänge der DNA und die Wirksamkeit eines Phantombildes:
Charly erzählt, dass ein altbekannter «Klient» mit seinem Komplizen beschlossen hatte, den Safe eines Bergrestaurants zu knacken. Nach einem langen Marsch durch den Schnee kamen diese am Ort des Geschehens an und brachen den Tresor auf.
Der Täter war aktenkundig und konnte dank seiner DNA, die auf einer am Tatort gefundenen Trinkflasche gesichert werden konnte, identifiziert werden.
Bei der Befragung machte er sich über seinen Komplizen lustig, weil dieser zu viele Filme schaue. Dieser habe ihm geraten, keine Zigarettenkippen am Tatort zurückzulassen und nicht zu trinken, da er in einer Fernsehserie gesehen hatte, dass die Polizei sie so identifizieren konnte.
Die Ermittler erzählten ihm nicht, auf welche Weise er überführt werden konnte und auch nicht, dass er einen grossen Geldbetrag in einem Umschlag an der Innentür des Safes übersehen hatte.
Inspektor Monnet erinnert sich an einen anderen Fall, bei dem ein Geschäftsmann in seinem Ferienhaus ausgeraubt worden war. Die Täter hatten ihn geschlagen, an ein Geländer gefesselt und schliesslich den Code für den Tresor erhalten. Aus diesem haben sie eine Waffe und Wertgegenstände entwendet.
Derselbe Geschäftsmann war bereits eine Woche zuvor Opfer eines Einbruchs in sein Wohnhaus geworden. Die Spezialisten der kriminaltechnischen Abteilung fanden am Tatort einen Fingerabdruck der mutmasslichen Täterschaft.
Da der Haupttäter zum Tatzeitpunkt nicht vermummt war, konnte das Opfer diesen in den Büros der „Geheimpolizei“ für die Anfertigung eines Phantombildes genau beschreiben. Just als die letzten Striche der Zeichnung fertiggestellt wurden, klopfte ein Kollege an die Tür und hielt das Foto des Einbrechers hoch, der anhand des Fingerabdrucks identifiziert werden konnte. Die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem Phantombild und dem echten Foto überraschte selbst unseren Inspektor. Er gab an, dass er so etwas in seiner ganzen Karriere noch nie gesehen habe.
So konnte der Täter in beiden Fällen überführt werden.
Eine Frage des Ausdrucks:
Mit einem Lächeln im Gesicht erzählt uns Charly eine weitere Anekdote, die sich während einer seiner zahlreichen Ermittlungen zugetragen hat. Als Inspektor hatte unser Gast den Auftrag, einen jungen, aufstrebenden Einbrecher zu verhören, der mit Komplizen mehrere Diebstähle in verschiedenen Geschäften begangen hatte.
Bei der Befragung interessierte sich der Polizist für die persönliche Situation des jungen Gauners und wollte wissen, ob zu Hause und in der Schule alles in Ordnung sei. Der Jugendliche gab zur Antwort, dass es ihm gut gehe und die Schule cool sei, auch wenn er Schwierigkeiten mit der französischen Sprache habe. Während des Verhörs beschrieb der Junge lebhaft alle Untaten seiner Mitschüler:
– «Sie haben den Ort ausgekundschaftet, sie haben die Tür eingetreten, sie haben Waren mitgenommen, sie haben Geld gefunden».
Das war aber nicht das, was unser Ermittler hören wollte … Vielmehr wollte er wissen, inwieweit der Jugendliche an den Einbrüchen beteiligt war. So fragte er ihn:
– «Sie, sie und sie, das habe ich nun verstanden, aber DU, warst du unsichtbar oder was? » Und die Antwort war eindeutig:
– «Ah, sehen Sie, «M’sieur», ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Probleme mit der französischen Sprache habe. »
Die Ehe:
Noch in seiner Tätigkeit als Gefängniswärter, kümmerte sich Charly Monnet um einen rückfällig gewordenen Einbrecher und Bankräuber. Dieser befand sich noch nicht im Strafvollzug und musste mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen. Der Täter äusserte den Wunsch, vor Haftantritt aber noch seine Partnerin heiraten zu dürfen. Der damalige Untersuchungsrichter willigte ein. Der Angeklagte hatte sein Wort gegeben, dass er dabei nicht versuchen würde, vor den Polizeibeamten zu flüchten (damals hielten echte Diebe ihre Versprechen). Der Bräutigam wurde zum Standesbeamten begleitet und die Feier wurde im Hause der Braut bis zur vereinbarten Stunde fortgesetzt.
Als gute «Prinzen» liessen die Polizisten die frischgebackenen Eheleute in ihrem Hochzeitszimmer allein…. Anschliessend führten sie den Bankräuber sicher zurück zum Gefängnis „Les Iles“ in Sitten.
Massagesalons:
1988 kontaktierte eine Frau Inspektor Monnet telefonisch und fragte ihn, welche Schritte sie unternehmen müsse, um einen Massagesalon zu eröffnen. Charly erkundigte sich daraufhin bei seinen Vorgesetzten. Die Antwort, die er von einem Stabsoffizier erhielt, war eindeutig: «Keine Schritte möglich!» Stichhaltige Argumente, ausser den ethischen, wurden keine angeführt.
Da es keine gesetzliche Grundlage gab, die einer Niederlassung der Dame entgegenstand, hiess der Polizist sie eine Woche später im Wallis willkommen. Dieser Salon war einige Monate lang die Attraktion eines Stadtviertels, da sich sein Eingang gegenüber einem Café befand und die Kunden sich an dieser neuen Attraktion erfreuten.
Zwanzig Jahre später zählte das Zentralwallis rund 30 Massagesalons.
Rückblickend ist unser Gast mit seiner Karriere zufrieden. Sie gab ihm die Möglichkeit, Orte und Gebiete zu entdecken sowie besondere Ereignisse zu durchleben, wie zum Beispiel das Schisma von Ecône oder das Treffen der WTO (Welthandelsorganisation) in Genf. Nicht zu vergessen die vielen unvergesslichen Rechtshilfeersuchen, die ihn bis in die Favelas von Rio de Janeiro führten, wo er in Begleitung von Kollegen unglaubliche Momente verbrachte. Vor allem mit den Mitgliedern der BOPE (Interventionsabteilung der Stadt – insbesondere mit der Aufgabe betraut, die Favelas zu befrieden).